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Expertentipps für öffentliche Bauherren: Insolvenz am Bau – Kehrtwende durch aktuelle Rechtsprechung?

Eine im April 2016 ergangene Entscheidung (VII ZR 56/15) des Bundesgerichtshofes (BGH) lässt auf den ersten Blick vermuten, dass die Kündigungsrechte des Auftraggebers eines VOB/B-Werkvertrages bei Insolvenz des Auftragnehmers gestärkt worden seien. Die nachfolgend wiedergegebenen Auszüge des Urteils verleiten zu dem Schluss, dass sich der Auftraggeber bei Insolvenzantragstellung oder Insolvenzeröffnung sorglos des Vertrages mit dem insolventen Auftragnehmer entledigen könne.
Vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2016, Az. VII ZR 56/15:
„§ 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B (2009) enthält eine insolvenzabhängige Lösungsklausel. § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B (2009) ist nicht gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen §§ 103, 119 InsO unwirksam.“
Erst bei näherer Betrachtung der Urteilsbegründung wird aber klar, dass der BGH letztlich nur darauf abstellt, dass es dem Auftraggeber im Falle des Eigeninsolvenzantrages des Auftragnehmers nicht zuzumuten sei, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die sich anschließende Entscheidung des Insolvenzverwalters zur Fortführung des Bauvertrages abzuwarten. Erfahrungsgemäß zieht sich dieser Vorgang über Monate hin und ist damit für die meisten Auftraggeber nicht zumutbar.
Das Insolvenzverfahren ist ein so genanntes Antragsverfahren, das lediglich auf Antrag des Schuldners selbst oder eines seiner Gläubiger eröffnet wird. Vor der Insolvenzeröffnung prüft ein gerichtlich bestellter Gutachter oder vorläufiger Insolvenzverwalter, ob ein Insolvenzgrund vorliegt. Dazu gehören die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder, bei juristischen Personen, die Überschuldung. Der Gutachter oder vorläufige Verwalter hat Einblick in die Informationen des Insolvenzgerichtes und weiß daher, ob der Insolvenzantrag durch einen Gläubiger oder den Schuldner selbst gestellt wurde. Für Dritte, etwa den Vertragspartnern des insolvenzbetroffenen Auftragnehmers, sind diese Informationen in amtlich bestätigter Form nicht zugänglich. Auskünfte, die direkt vom betroffenen Auftragnehmer kommen, sind keine verlässliche Quelle. Es ist aber von entscheidender Bedeutung, ob der Auftragnehmer selbst den Antrag gestellt hat. Nur dann steht dem Auftraggeber das Recht auf eine privilegierte Kündigung zu, die ihn zur Einstellung weiterer Zahlungen berechtigt.
Hat der Auftragnehmer selbst einen Insolvenzantrag gestellt, so kann hieraus keineswegs sicher geschlossen werden, dass nicht von einem Dritten zuvor auch ein Insolvenzantrag gegen ihn ausgebracht wurde. Beispielsweise kann eine Krankenkasse aufgrund rückständiger Beiträge einen Insolvenzantrag stellen und kurz darauf reicht der Auftragnehmer seinerseits einen Antrag auf Insolvenz aufgrund seiner angespannten Liquiditätslage ein.
In einem solchen Fall kann einige Zeit vergehen, bis der Auftragnehmer selbst überhaupt von dem von dritter Seite gestellten Antrag erfährt. Lässt sich das Insolvenzantragsverfahren auf Eigenantrag nicht belegen und stellt sich heraus, dass das Verfahren aufgrund zeitlich vorausgehendem Fremdantrag eingeleitet wurde, vermittelt die Entscheidung keine (Kündigungs-) Sicherheit.
Inwieweit eine Kündigung durch den Auftragnehmer auch im Fall des Fremdantrages privilegiert ist und somit auch für die Einstellung von Zahlungen gilt, lässt sich der Begründung des Urteils nicht entnehmen. Auftraggeber, die im Insolvenzantragsverfahren kündigen wollen, sollten zusätzlich zu einem insolvenzbedingten Kündigungsrecht auch für die Kündigungsgründe gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B sorgen.
Praxishinweis:
Es empfiehlt sich daher, den Auftragnehmer etwa zur Mängelbeseitigung unter Fristsetzung aufzufordern oder in Verzug zu setzen und die Kündigung nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist auf einen weiteren außerordentlichen Kündigungsgrund zu stützen.
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Erstellt am 10.11.2016 von

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